Lehrplan 1. bis 9. Klasse

Lehrplan erste bis neunte Klasse

1. & 2. Klasse

Das Kind vor der Schul­rei­fe lebt vor­wie­gend in der Betä­ti­gung sei­ner Glied­mas­sen d.h. sei­nes Wil­lens. Dies wan­delt sich um das sieb­te Lebens­jahr. Es ent­wickelt sich nun ein stär­ke­res Gefühls­le­ben und das Rhyth­mi­sche bekommt eine stär­ke­re Bedeu­tung. Die Kräf­te, die vor­her den Leib auf­bau­ten, die­nen jetzt dem Ler­nen. Bewe­gung des Kin­des und Bil­der regen sei­ne Gefühls– und Form­kräf­te an, wir­ken über die Sin­nes­or­ga­ne auf das Leib­li­che, das Rhyth­mi­sche för­dert das Gedächt­nis. Die Metho­de ist für alle Fächer, durch akti­ves Tun inne­res Erle­ben zu ent­wickeln, was zum Auf­bau einer eige­nen Gefühls­welt führt.

Das For­men­zeich­nen z.B. för­dert nicht nur das fol­gen­de Schrei­ben, son­dern auch die Hand­ge­schick­lich­keit, die Form­kraft des gan­zen Men­schen, die Sin­nes­tä­tig­keit. Indem es die Sym­me­trie im Gleich­ge­wichts– und Lebens­sinn formt, unter­stützt es das Rech­nen, wo es auch um das Schät­zen und Wägen geht. Das Rech­nen mit Hil­fe des gan­zen Kör­pers schafft ein inne­res Ver­hält­nis zu den Qua­li­tä­ten der Zah­len. Dies bil­det die Basis für das spä­te­re Urteils­ver­mö­gen und Den­ken. Alle Fächer haben viel­fäl­ti­ge Wir­kun­gen. Unge­wohnt zu den­ken ist uns im all­ge­mei­nen, dass Sticken und Stricken das Erle­ben der Sym­me­trie im Rech­nen för­dern, wenn man etwa schätzt und wägt: 12 = 7 + 2 + ?

Die künst­le­ri­schen Fächer wie Malen, Sin­gen und Euryth­mie bewir­ken über die Aus­bil­dung des Gleich­ge­wichts- Lebens‑, Bewe­gungs- und Tast­sin­nes eine För­de­rung der mora­li­schen Kräfte.

Ein ganz beson­ders wich­ti­ges Ziel ist für alle Fächer, in den Kin­dern eine eige­ne Bil­der­welt zu schaf­fen. Dazu die­nen nicht nur die Mär­chen und Legen­den der ersten und zwei­ten Klas­se, son­dern auch durch alle ande­ren Unter­richts­ge­gen­stän­de sol­len inne­re Bil­der ent­ste­hen. In der Sach­kun­de soll die Natur zu den Kin­dern so spre­chen, dass Blu­men, Tie­re, Bäu­me in mensch­li­cher Spra­che reden und dem Kin­de das Erleb­nis erwecken: in allem ist der Mensch anwesend.

3. Klasse

Dem Reich der Phan­ta­sie erschlies­sen sich lang­sam die neu­en Räu­me der Not­wen­dig­kei­ten und Erfor­der­nis­se. Da sich die Kin­der in ver­mehr­tem Mas­se gegen­über ihrer Umge­bung abgren­zen, tre­ten erst­mals Fra­gen nach der eige­nen Her­kunft, sowie Ein­sam­keits­ge­füh­le auf. Dem begeg­net der Lehr­plan: die Schöp­fungs­ge­schich­te wird erzählt, mit dem Ziel, den Men­schen in den Zusam­men­hang mit der Schöp­fung zu stellen.

Die Kin­der erle­ben sich arbei­tend und ver­ste­hend in kon­kre­ten Arbeits­ab­läu­fen, des­halb steht das Ken­nen ler­nen der Hand­wer­ke, sowie die Bear­bei­tung eines klei­nen Ackers im Mit­tel­punkt des Schul­jah­res. Durch die alten Hand­wer­ke wird eine Brücke zur Kul­tur unse­rer Vor­fah­ren geschla­gen. In der Haus­bau-Epo­che lernt das Kind prak­tisch umset­zend und beschrei­bend zu arbei­ten. Vie­les aus dem Unter­richt der unte­ren bei­den Klas­sen wird noch­mals auf­ge­grif­fen, um es von einer ande­ren Sei­te zu fas­sen: Druck­schrift geht in Schreib­schrift über, For­men aus dem For­men­zeich­nen fin­den Anwen­dung im Rech­nen, Sprech­ver­se oder das 1 x 1 wer­den auch in Eng­lisch und Fran­zö­sisch geübt. Ziel ist, dass die Kin­der Zusam­men­hän­ge zwi­schen den Fächern und flies­sen­de Über­gän­ge erleben. 

Das Kind löst sich aus einer hin­ge­ben­den Natur­ver­bun­den­heit, lei­se kün­det die erwa­chen­de Intel­lek­tua­li­tät das Selbst­wer­den an. Dies fin­det sei­nen Nie­der­schlag im Unter­richt durch: bewuss­tes Hören und Spre­chen, erstes Beschrei­ben von Vor­gän­gen, Erar­bei­tung eines Spie­les, das den Eltern und Mit­schü­lern vor­ge­führt wird. Der „Mensch als Zusam­men­fas­sung aller drei Natur­rei­che“ soll als roter Faden durch den Sach­un­ter­richt erfahr­bar wer­den. Im Lau­fe des zehn­ten Lebens­jah­res voll­zieht das Kind einen wich­ti­gen Schritt in sei­ner Ent­wick­lung, der sorg­fäl­tig beach­tet wer­den muss. End­gül­tig ver­lässt es sei­ne frü­he Kind­heit und betrach­tet die Umwelt mit ver­stärk­tem erwach­tem Ich/Bewusstsein. Die bis­her zu meist selbst­ver­ständ­lich aner­kann­te Auto­ri­tät des Leh­rers beginnt es zu prü­fen. Die Ban­de zu den Eltern lockern sich, und das Kind gerät häu­fig genug in Ver­un­si­che­rung und Ban­gen. Eine Rei­he zuvor nie gestell­ter Fra­gen taucht auf. Wer sind mei­ne Eltern? Was qua­li­fi­ziert mei­nen Leh­rer? Es braucht Mut und Kraft, nach vorn zu gehen und den so genann­ten „Rubi­kon“ zu überschreiten.

4. Klasse

Im Erzähl­stoff, der „Edda“ ist wie­der­um ein Schöp­fungs­my­thos ange­ge­ben. Nicht so sehr die Welt­ent­ste­hung ist das Beson­de­re die­ser Bil­der, son­dern die Ent­wick­lungs­pro­zes­se von Göt­tern, Mensch und Natur­kräf­ten. Nur in der Edda wird vom Ver­däm­mern des alten, über­sinn­li­chen Bewusst­seins der Men­schen erzählt. Die­ser mensch­li­che Bewusst­seins­wan­del voll­zieht sich auch in den Kin­dern: sie nabeln sich von der gei­sti­gen Welt ab. So wie in der Edda das Ende der alten Welt ohne Sen­ti­men­ta­li­tä­ten geschil­dert wird, kann das Kind mutig den Schritt in die neue Welt wagen.

In der ersten Hei­mat­kun­de wird die sicht­ba­re Umge­bung erobert, durch die Pflan­zen- und Tier­kun­de ergänzt, was zu neu­em Stau­nen anre­gen kann. Zum Sprach­un­ter­richt: jede Spra­che besteht aus zwei wesent­li­chen Bau­stei­nen: Musik und Archi­tek­tur. Bis zur drit­ten Klas­se wur­den mehr das musi­ka­li­sche Ele­ment der Spra­chen gepflegt, jetzt wird die Archi­tek­tur der Spra­chen in den Unter­richt mit ein­be­zo­gen. Die Gram­ma­tik ist als Gerüst der Spra­che halt­ge­bend, Schrift und erste Lek­tü­re festi­gen, was aus dem Sprach­lich-Musi­ka­li­schen bereits reich­hal­tig aus den ersten drei Jah­ren vor­han­den ist.

5. Klasse

Dem Kind wird die äus­se­re Sei­te der Wirk­lich­keit immer wich­ti­ger. Damit die gei­sti­ge Anschau­ung der Welt nicht ver­lo­ren geht, ant­wor­tet der Lehr­plan mit fol­gen­den Schwer­punk­ten: der Natur­kun­de­un­ter­richt setzt – wie in der vier­ten Klas­se – beim Men­schen an, denn wenn das eige­ne Sein ins Bewusst­sein geho­ben wird, kann auch ein ande­res Sein in sei­ner Ver­schie­den­heit oder Gleich­ar­tig­keit erfasst wer­den. War im vier­ten Schul­jahr der äus­se­re Mensch drei­glied­rig erfasst wor­den, so soll nun der inne­re Mensch betrach­tet wer­den nach Ner­ven- Sin­nes­sy­stem, Rhyth­mi­schem System, Stoff­wech­sel- Glied­mas­sen-System. Die­ser Drei­glie­de­rung kann in der Tier­kun­de gegen­über­ge­stellt wer­den, was z.B. im Adler (Ner­ven- Sin­nes-System), Löwen (Rhyth­mi­sches System) und Stier (Stoff­wech­sel-Glied­mas­sen-System) urbild­lich lebt.

Zu die­sen Tie­ren kom­men noch aus­ge­wähl­te Bei­spie­le aus der Welt der Vögel und Säu­ge­tie­re. Die Pflan­zen­welt wird eben­so drei­glied­rig geschil­dert und erlebt: Wur­zel­be­reich, Stängel/Blattbereich und Blüten/Fruchtbereich. Ent­spre­chend dem Ent­wick­lungs­schritt der Kin­der, auf der Erde ange­kom­men zu sein, beginnt die alte Geschich­te mit alt­in­di­scher, alt­per­si­scher, ägyp­ti­scher, baby­lo­ni­scher und grie­chi­scher Geschich­te. Aus die­sen Kul­tu­ren wird ein rei­ches Spruch­gut ver­wen­det bis zum Hexa­me­ter der Odys­see, des­sen Rezi­ta­ti­on eine wohl­tu­en­de Ord­nung in die Klas­se bringt. In Deutsch wird dem Rech­nung getra­gen, dass sich das Kind durch die Behand­lung der Zei­ten in Raum und Zeit behaup­ten lernt. Dazu kom­men die vier Fäl­le, die direk­te Rede und Aktiv/Passiv. Satz­glie­der und Satz­zei­chen stär­ken die kind­li­che Ich-Kraft im Sprach­voll­zug. Durch die Ein­stu­die­rung eines klei­ne­ren Thea­ter­stückes kann das Selbst­be­wusst­sein der Kin­der ver­stärkt werden.

6. Klasse

Die see­li­sche Situa­ti­on des Kin­des hat sich spä­te­stens ab der vier­ten Klas­se grund­le­gend ver­än­dert. Es tre­ten immer mehr Fra­gen auf, die sich alle dar­auf bezie­hen, sich emp­fin­dungs­ge­mäss von der Umge­bung zu unter­schei­den, sich auch zu unter­schei­den von dem Erzie­her. Es will erfah­ren, wie der Leh­rer im Leben steht. Das Kind tritt aus der bis­her erleb­ten Tota­li­tät von Raum und Zeit her­aus. Das Vor­her und das Nach­her wer­den nicht nur stär­ker emp­fun­den, son­dern auch auf­ein­an­der bezo­gen. Das Kind beginnt, nicht nur nach Ursa­chen zu fra­gen, es sucht die­se, will sie sel­ber her­stel­len, um deren Wir­kun­gen zu beob­ach­ten. Die Phy­sik beginnt also jetzt. Der erwa­chen­den Abstrak­ti­ons­fä­hig­keit des Kin­des muss Rech­nung getra­gen wer­den: spie­len­des Üben wird nun Erwer­ben, Erar­bei­ten; das Kind erlebt Wider­stand an der Mate­rie, Gram­ma­tik­re­geln wer­den gelernt.

7. Klasse

Der Erzähl­stoff der sieb­ten Klas­se ist beherrscht von Bio­gra­phien von Ent­deckern, die Neu­land erobern, die Unge­wöhn­li­ches wag­ten. Hier ergibt sich eine idea­le Ver­bin­dung von der frem­den zur eige­nen Bio­gra­phie, vom Beginn der Neu­zeit (Geschich­te) zu den Erd­tei­len (Geo­gra­phie) und zu Lite­ra­tur und Kunst­ge­schich­te. Die­ser Erzähl­stoff wird auch umge­setzt im Gestal­ten von Epo­chen­hef­ten mit selbst erar­bei­te­ten Tex­ten und Bil­dern, eben­so im Malen und in Euryth­mie. Dem erzähl­ten Geschichts­un­ter­richt kommt gros­se Bedeu­tung zu, da er in engem Zusam­men­hang mit der mensch­li­chen Ent­wick­lung steht und Ver­bin­dung zum Sozia­len schafft.

In der Mathe­ma­tik wird die Ein­füh­rung des neu­en Stof­fes als Grund­la­ge für die näch­sten Schul­jah­re gelegt und wird streng in den Zusam­men­hang mit dem prak­ti­schen Leben gestellt, eben­so in der Geo­me­trie, die ihre gesetz­mäs­si­ge Ent­spre­chung in vie­len Berei­chen der Natur hat: Fünf­stern: Rosen­ge­wäch­se, Ake­lei oder See­stern; Gol­de­ner Schnitt–Verhältnisrechnung um nur eini­ge Ver­knüp­fun­gen der Fächer und Stof­fe an einem Bei­spiel zu nen­nen. Die­se Geo­me­trie hat sich aus dem For­men­zeich­nen und der Frei­hand­geo­me­trie der unte­ren Klas­sen bis zur jetzt gefor­der­ten Genau­ig­keit ent­wickelt. Men­schen- und Pflan­zen­kun­de fin­den Anwen­dung in Gesund­heits­leh­re, wo z.B. Heil­kräu­ter beschrie­ben und gezeich­net werden.

8. & 9. Klasse

In der ach­ten Klas­se wird vie­les zu einem vor­läu­fi­gen Abschluss gebracht. Der Geschichts­un­ter­richt wird des­halb in gros­sen Zügen bis zur Gegen­wart fort­ge­führt. Beson­de­re Berück­sich­ti­gung fin­det die Kul­tur­ge­schich­te. In der Natur­kun­de wird wie­der zum Aus­gangs­punkt zurück­ge­kehrt, von dem man in der vier­ten Klas­se aus­ge­gan­gen war: zum Men­schen. Jetzt lernt der Jugend­li­che den Men­schen als Zusam­men­fas­sung der Natur­rei­che ken­nen. In der Che­mie bespricht man Stär­ke, Zucker, Eiweiss und Fet­te im Zusam­men­hang mit der Ernäh­rung des Menschen.

Die Phy­sik behan­delt Optik, Hydrau­lik und Aero­dy­na­mik. Sowohl Rech­nen als auch Alge­bra wer­den in viel­sei­ti­ger Anwen­dung geübt und die Geo­me­trie führt bis zur Flä­chen- und Kör­per­be­rech­nung geo­me­tri­scher Figu­ren. Der Deutsch­un­ter­richt sucht Ver­ständ­nis zu erwecken für epi­sche und dra­ma­ti­sche Dich­tun­gen. Goe­the und sei­ne Zeit­ge­nos­sen wer­den ein­ge­hend bespro­chen. Die­ser erste Abschnitt des drit­ten Lebens­jahrs­iebts steht unter dem Mot­to: Die Welt ist wahr! Ursa­chen und deren Wir­kun­gen sol­len in ihren Zusam­men­hän­gen auf­leuch­ten und erkannt wer­den. Es gilt, mit mora­li­scher Festig­keit und see­li­scher Sicher­heit ein eige­nes Urteil sich zu bil­den, gewis­sen­haft und klar Ent­schei­dun­gen eigen­stän­dig zu fällen.

Darf der Mensch als klei­nes Kind nach­ah­mend ler­nen, als Schul­kind dem gelieb­ten Vor­bild fol­gen, so wird er als Jugend­li­cher befä­higt sein, sach­li­che Urtei­le zu fin­den, die von See­len­wär­me und Gewis­sens­klar­heit geprägt sind. Die­se Art des Erken­nens wird ihn befä­hi­gen, mit gröss­ter Beweg­lich­keit und mit mehr Phan­ta­sie den viel­fäl­ti­gen und immer kom­pli­zier­te­ren Pro­ble­men der Berufs­welt und unse­rer Erde zu begegnen.